Der Redaktion von xtranews liegt eine Kopie des Schreibens der Kanzlei vor, die den Insolvenzverwalter für die Karstadt Warenhaus GmbH stellen.
Auf fünf Seiten schildert ein Vertreter der Kanzlei Dr. Hubert Görg dem Oberbürgermeister nochmals die eigentliche Problematik und erklärt, dass es sich um einen Verzicht auf einen sogenannten „Non Valeur“ handelt. Diesen hatte xtranews in einem anderen Beitrag bereits erklärt.
Nach Auffassung der Kanzlei hat der Stadtrat von Duisburg einen verfügbaren Ermessensspielraum nicht berücksichtigt – was den Entschluss angreifbar machen würde:
Diese Beurteilung ist aus Sicht der Städte – und hier liegt die Besonderheit dieses Falles: es geht um den Verzicht auf ein Non-Valeur.
Der Rat der Stadt Duisburg hat diesen Punkt bei seiner Entscheidungsfindung offensichtlich gänzlich außer Betracht gelassen und damit Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit – gerade auch im Hinblick auf die Gefährdung der 25.000 Arbeitsplätze – nicht ausreichend gewürdigt. (…)
Der Unterzeichner vertritt die Auffassung, dass es einer besonderen Begründung bedarf, wenn sich die Stadt Duisburg dagegen sperrt, ein Nullum aufzugeben und dadurch den Weg für ein gesetzliches Sanierungsverfahren und die darin liegenden Chancen verschließt. (…)
Die Ratsentscheidung ist damit rechtswidrig; sie ist aufzuheben und neu zu fassen.
Anschließend wird nochmals ausführlich dargelegt, dass unter dem Nein aus Duisburg 25.000 Arbeitnehmer, der Bund, das Land und Gemeinden, Sozialpartner und schließlich auch die Lieferanten zu leiden hätten. Einschließlich der, wie es hier heißt, urbanen Folgeschäden durch die Schließung der Kaufhäuser. Ganz abgesehen von möglichen Ersatzansprüchen des Insolvenzverwalters gegen die Stadt.
Die den Gläubigern entstehenden Schäden beziffert die Kanzlei überschlägig mit 40 Millionen Euro.
Die letzte Ratssitzung, die zu dem jetzigen Zustand führte, ist mehr als merkwürdig aufgenommen worden: angefangen damit, dass die Unterlagen außergewöhnlich spät zur Verfügung gestellt wurden.
Die xtranews-Redaktion hat sich am Sonntag Abend in einer Sonder-Redaktionssitzung mit der Frage auseinandergesetzt, wer in diesem Spiel eigentlich seine Position wie definiert. Von daher beleuchten wir hier jetzt nochmals die Akteure in diesem verworrenen Spiel:
25.000 Mitarbeiter, davon 5.830 in NRW und 219 in Duisburg stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt, besonders in Duisburg, ist insgesamt nicht so, dass „freigesetzte“ Mitarbeiter auf eine schnelle Weiter- und Wiederbeschäftigung hoffen dürften.
Die Gläubiger von Karstadt haben die Chance, zumindest 20% ihrer Außenstände im Falle einer Rettung zu erhalten. Wird Karstadt nicht gerettet, gehen die meisten mit 2% nahezu leer aus. Die Auswirkungen – auch auf den Arbeitsmarkt – können derzeit nicht zuverlässig bewertet werden.
Die Fraktionen im Stadtrat in Duisburg neigten zu überraschendem Abstimmungsverhalten: Dass die FDP gegen den Rettungsplan stimmen würde, was sie indirekt getan hat, ist nicht überraschend und wird später noch thematisiert. Dass jedoch ausgerechnet die Linke sich ebenfalls gegen die Rettung stellt, löste Verwunderung aus. Zumal ja auch Herr Keuer gegen die Rettung gestimmt hat. Und der ist zufällig auch Sekretär bei ver.di.
Die CDU hat ebenfalls gegen den Plan gestimmt. Dies löste allgemeine Überraschung aus, weil der Oberbürgermeister Adolf Sauerland Mitglied der CDU ist – und dieser als Stadtregent die einzige Stimme für den Rettungsplan abgegeben hat. Merkwürdig: von einer weiteren Abstimmung der CDU-Fraktion gegen ihren Oberbürgermeister ist uns nichts bekannt. Scheinbar fällt hier die Fraktion der CDU ihrem Parteifreund in den Rücken – ob aus sachlichen Erwägungen oder inszeniert.
Damit ist die Frage aufgeworfen, ob bei dieser für die Duisburger Stadtentwicklung substanziellen Frage der Oberbürgermeister tatsächlich von dem Abstimmungsergebnis überrascht war. Dies wäre ein Beleg für eine eklatante Führungsschwäche, weil er weder geschafft hat, seine eigene Fraktion hinter sich zu bringen, noch die anderen politischen Parteien.
Oder Sauerland nahm eine Abstimmungsniederlage billigend in Kauf, was einer Inszenierung gleich käme, die zum Ziel gehabt hätte, seine eigene Person von jeglicher Kritik an der Ratsentscheidung auszunehmen.
Besonders verwirrend ist auch die Rolle der SPD in diesem Spiel. Wenn man den Gerüchten glauben darf, ist vor allem der Fraktionsvorsitzende Mettler gegen die Rettung von Karstadt durch den Steuererlass in 2010. Gerade von der SPD sollte man jedoch an dieser Stelle erwarten, dass sie auf Seite der Arbeitnehmer und der Gewerkschaft ver.di steht. Spekulationen innerhalb der Duisburger sozialdemokratischen Kreise gehen dahin, dass Herr Mettler seine Machtposition und seinen Führungsanspruch zementieren will. Diesem Anspruch würde er vielleicht sogar wichtige Sachfragen wie den Fortbestand Karstadts unterordnen.
Für die kommende Abstimmung am Freitag, dem 21. Mai, erhalten wir verschiedene Aussagen und Richtungszeichen, teilweise „off the Record“:
- die CDU scheint von dem Schreiben des Insolvenzverwalters und der öffentlichen Reaktion beeindruckt. Sie deutete durch Frau Vogt (WAZ am 13. Mai) an, man wolle die jüngsten Ereignisse berücksichtigen, was eine Zustimmung zum Steuererlass andeuten könnte.
- die SPD berät sich am Mittwoch. Insbesondere aus den Reihen der Befürworter des Steuererlasses scheinen jedoch genau an diesem Tag nicht alle anwesend sein zu können. Nach unserer Auffassung wird die SPD an der Ablehnung des Steuererlasses festhalten. Diese Ablehnung ist jedoch sicherlich auch abhängig von den Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf und nicht zuletzt vom Druck der Öffentlichkeit.
- die FDP erklärte bereits, sie wolle an der Ablehnung festhalten.
- die Linke hält sich bedeckt. Während auf der einen Seite dem Fraktionsvorsitzenden Dierkes ein „konstruktives Verhältnis“ zum Oberbürgermeister attestiert werden kann, gerüchtet es aus dem Rathaus, Herr Keuer fühle sich von ver.di in Berlin gestärkt, mit der Linken die Ablehnung des Steuererlasses zu proben.
- die Grünen halten sich sehr bedeckt, eine Beurteilung ist sehr schwer.
Insbesondere das Abstimmungsverhalten der SPD- und der Linksfraktion sind daher von großem Interesse. Es ist durchaus
möglich, dass nur die SPD gegen den Steuererlass stimmen wird – oder gar keiner. Oder nur die Linke. Alles offen, wie vor der Landtagswahl 2010.
Genau solche Geschichten werfen jedoch auch immer die Frage auf, wer letztlich der Nutznießer ist. Die Vorteile für Arbeitnehmer und Lieferanten im Falle einer Rettung haben wir ausführlich beleuchtet. Nunmehr ist die Frage, wer von einem Untergang des Karstadt-Hauses profitiert.
Begeben wir uns an dieser Stelle mal auf das Feld der Spekulationen: in Duisburg taucht, wenn es um strategischen Einfluss geht, in der Regel der Name Haniel auf. Vom Untergang Karstadts würde gewiss Kaufhof profitieren. Die Kaufhof-Warenhäuser sind Teil der Metro-Gruppe, deren Hauptaktionär wiederum das Familienunternehmen Franz Haniel ist.
Stellen wir uns nun vor, Karstadt würde liquidiert, wäre der Markt aus Sicht der Kaufhofgruppe von einem großen Wettbewerber bereinigt. Und in Duisburg käme noch eine besondere Geschichte hinzu:
Würde Kaufhof die Nachfolge der Karstadt-Kaufhäuser antreten wollen, könnte man in ein fertig eingerichtetes Kaufhaus im Duisburger Forum einziehen. Und dank des Insolvenzverfahrens mit wenig Aufwand sich ehemaliger Mitarbeiter der Karstadt GmbH entledigen sowie eigene Mitarbeiter positionieren.
Von Vorteil wäre die rasche Umsetzung eines von den Dächern pfeifenden Plans: Kaufhof in der Innenstadt sitzt derzeit in dem alten „Horten“-Gebäude an der Düsseldorfer Straße. Dieses Gebäude, genauer seine Fassade, steht aber unter Denkmalschutz, was eine Sanierung teuer und aufwändig macht. Kaufhof ist ebenfalls in seiner heutigen Form nicht mehr zukunftsfähig, sondern soll – so die Strategie der Kaufhof-Metro-Haniel – Karstadt schlucken und als „Deutsche Warenhaus AG“ weiterbestehen.
In diesem Zusammenhang würde man im Grunde das Gebäude an der Düsseldorfer Str. gerne komplett umbauen:
Schon vor einem Jahr signalisierte Adolf Sauerland, dass das Unternehmen MultiDevelopement aus Holland Pläne hat, dort eigene Planungen umzusetzen. Fachkreise diskutieren darüber, dass die neue Verwendung z. B. etagenweise Fachgeschäfte wie Sport oder Outdoor-Ausrüster sein könnten. Der Geschäftsführer von MultiDevelopment ist Alex Funke.
Herr Funke ist freilich seinen Geldgebern verpflichtet. Wer die finanziellen Mittel hier zur Verfügung stellt ist uns derzeit unklar – Spekulationen gibt es einige. So unklar wie der Geldgeber sind demnach seine Ziele.
Aus unserer Sicht wäre jedoch eine Verlagerung des Kaufhof in die Geschäftsräume der Karstadt ins Forum Duisburg denkbar. Karstadt wäre vereinnahmt, der Forum-Ankermieter trüge beispielsweise das Firmenschild „Deutsche Warenhaus AG“ und schon hätte MultiDevelopment ein paar Probleme weniger und die Haniel-Gruppe wäre ihrem hier angenommenen Ziel ein ganzes Stück näher .
Der Beitrag Karstadt vs. Duisburg – Duisburg vs. Karstadt? erschien zuerst auf xtranews - das Newsportal aus Duisburg.