Duisburg – 500 Karstadt Mitarbeiter aus Duisburg, der Essener Hauptverwaltung und anderen Ruhrgebietsfilialen zogen am Mittwoch vor das Duisburger Rathaus, um ihr Unverständnis über die Duisburger Ratsentscheidung, sich gegen einen einmaligen Gewerbesteuererlass für den Warenhauskonzern auszusprechen, Ausdruck zu verleihen.
Wut und Unverständnis waren nicht nur in den Gesichtern der Demonstranten sondern auch auf den mitgeführten Plakaten zu sehen. „Duisburg schafft neue Arbeitslose – Glückwunsch“, „Duisburger Rat vernichtet Arbeitsplätze“, „Wir sind ein Stück Duisburg“, „Vielen Dank für Hartz IV“, „Wir verzichten auf unser Gehalt – die Stadt Duisburg fordert davon noch Steuern!“ und an die SPD gerichtet „Frau Kraft, wo sind Sie?“.
Die Arbeitnehmer fühlten sich von der Politik „verarscht“, so eine Teilnehmerin. Diese verkürzte Formel ist denn auch nicht ganz aus der Luft gegriffen, wenn man sich noch einmal die Worte vom Fraktionschef der Linkspartei im Stadtrat Hermann Dierkes aus dem letzten Jahr im Kommunalwahlkampf Revue passieren lässt: „Wir stehen an Eurer Seite im Kampf um den Erhalt Eurer Arbeitsplätze. […] Zusammen mit den Duisburger Arbeitsplätzen bei Karstadt stehen 56.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. […] Wir können uns eine Pleite von Karstadt auch kommunalpolitisch überhaupt nicht leisten.“
Aber, Wahlen waren gestern, Politik ist heute. In einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte der Rat der Stadt am Montag einen Gewerbesteuerverzicht für das ums Überleben kämpfende Warenhausunternehmen Karstadt mehrheitlich, auch eben mit der Stimme von Hermann Dierkes, abgelehnt. Der Insolvenzplan sieht aber die Zustimmung von 98 Prozent der insgesamt 94 betroffenen Kommunen mit Standorten von Warenhäusern vor. Einige Kommunen haben ihren Verzicht unter den Vorbehalt gestellt, dass 100 Prozent der Kommunen mitziehen müssten. Dazu schreibt die WAZ: „Diese Brisanz hätte den Ratsmitgliedern bewusst sein müssen. Die Unterlagen der nicht-öffentlichen Sitzung, die der WAZ vorliegen, beschreiben dieses Szenario detailliert. Darin wird vorgeschlagen, die „auf Sanierungsgewinne entfallende Gewerbesteuer Karstadt zu erlassen. Eine finanzielle Auswirkung auf den Haushalt sei nicht gegeben“. Und weiter: „Trotzdem verlief die Abstimmung in der nicht-öffentlichen Sitzung bemerkenswert. Nach WAZ-Informationen gab es keinerlei Diskussion, nicht eine Wortmeldung. Das Nein zum Erlass der Gewerbesteuer wäre sogar quer durch alle Fraktionen einstimmig gewesen, hätte nicht Oberbürgermeister Adolf Sauerland selbst dafür gestimmt.“
Vor dem Rathaus sprachen dann der Duisburger Karstadt Geschäftsführer Klaus-Peter Kuhndörfer, die Betriebsratsvorsitzende Rita Rodenbücher und ihr Essener Kollege Henning Lotter. Alle drei machten noch einmal die dramatische Situation, die sich aus dem Duisburger Ratbeschluss ergeben, deutlich. Lotter sprach von einem Flächenbrand für die ganze Republik, der von Duisburg ausgehe. Immerhin empfing der Oberbürgermeister Adolf Sauerland eine Delegation und stellte eine Sitzung des Ältestenrates für Freitag in Aussicht. Der Ältestenrat hätte die Möglichkeit, den Gewerbesteuerverzicht erneut auf die Tagesordnung des Stadtrates zu setzen. In einem Gespräch mit dem Fraktionsgeschäftsführer der Duisburger SPD wurden den Betriebsräten versichert, nachdem sich die 500 Beschäftigten auf dem Innenhof der Parteizentrale auf der Krummacherstraße versammelten, dass die SPD die Einberufung des Ältestenrates unterstützen werde.
Interessant ist das Abstimmungsverhalten von Thomas Keuer, der nicht nur für die LINKEN im Stadtrat sitzt, sondern gleichzeitig in Duisburg geschäftsführender Sekretär bei ver.di ist. Er hat mit seinem „Nein“ zur Vorlage die monatelangen Verhandlungen der Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter mit dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern konterkariert und die eigene Organisation der Lächerlichkeit Preis gegeben. Nachdem Keuers Abstimmungsverhalten am Mittwoch Morgen durch gesickert war, glühten bundesweit die Telefondrähte. Aufgebrachte Betriebsräte verlangten von der ver.di-Landesbezirksleitung in Düsseldorf eine Erklärung. Andere übergingen die Landesebene und telefonierten direkt mit dem Bundesvorstand in Berlin. Der hauptamtliche Arbeitnehmervertreter Keuer war für die Betriebsräte nicht erreichbar. Aus dem näheren Umfeld des Berliner ver.di-Bundesvorstandes wurde aber die Information gestreut, dass die stellvertretende Vorsitzende Magret Mönig-Raane ein längeres Telefonat mit Keuer geführt haben soll. Die Betriebsräte reagierten sofort und ließen noch vor Start der Demonstration alle ver.di Fahnen und Mützen einsammeln.
Die WAZ bringt das Verhalten des Stadtrates mit den Worten „Die Ratsvertreter haben die Systematik dieses >>virtuellen Geldes<< nicht verstanden“ auf den Punkt und zitiert den Duisburger ver.di-Chef.“>>Alle fühlten sich überfordert<<, sagte Thomas Keuer“. Sollte dem wirklich so sein, dann scheinen fundamentale Kenntnisse von Wirtschaft und Finanzen heute nicht mehr zu den Ausbildungsanforderungen von Gewerkschaftssekretären zu gehören. Sollte die Zerschlagung von Karstadt Wirklichkeit werden, so muss sich ver.di in persona von Thomas Keuer vorhalten lassen, an der Vernichtung von 56.000 Arbeitsplätzen eine nicht unerhebliche Mitschuld zu tragen. Weiterhin wird sich die Arbeitnehmerorganisation fragen (lassen) müssen, ob dieses Keuers Agieren mit dem gut dotierten Posten eines Geschäftsführers noch vereinbar ist. Für die Karstadt Betriebsräte jedenfalls scheint in der Causa Keuer aber schon der Drops gelutscht und die Messe gelesen zu sein.
Für eine telefonische Rückfrage stand Thomas Keuer am Mittwoch leider nicht zur Verfügung